🧠 Übertraining, Motivation und Burnout: Was steckt wirklich hinter dem „Zuviel des Guten“?
- Alexander Eigner
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Zwei Studien zeigen, warum Übertraining nicht nur ein physiologisches Problem ist – sondern auch mit Motivation, Erholung und Burnout zusammenhängt. Ein kritischer Blick für Sportler*innen & Coaches.
🚨 Übertraining – existiert das überhaupt?
Halson & Jeukendrup (2004) haben in einer groß angelegten Review untersucht, was eigentlich wissenschaftlich über „Overtraining Syndrome“ (OTS) bekannt ist.
Die Antwort: erschreckend wenig – und das, obwohl es jeder kennt.
Die Autoren unterscheiden klar zwischen:
🟡 Overreaching (OR): temporärer Leistungsabfall (Erholung in Tagen bis 2 Wochen)
🔴 Overtraining Syndrome (OTS): langanhaltender Leistungsabfall (Erholung: Monate bis Jahre)
❗ Problem: Es gibt keine objektiven Diagnosekriterien, kaum kontrollierte Studien – fast alles basiert auf Anekdoten.
📉 Typische Symptome laut Halson & Jeukendrup
Bereich | Mögliche Anzeichen bei Übertraining |
Leistung | ↓ Leistung (kurzfristig = OR, langfristig = OTS) |
Stimmung | ↑ Irritabilität, ↓ Motivation, depressive Tendenzen |
Herzfrequenz | ↓ HFmax, ↑ Ruhepuls oder ↓ je nach Typ |
Hormonstatus | ↓ Testosteron, ↓ Cortisolantwort |
Immunsystem | ↑ Infektanfälligkeit, ↓ IgA |
Muskelstoffwechsel | ↓ Glykogen, ↓ Laktatproduktion |

🔁 Von der Erschöpfung zur Demotivation: Wie Burnout entsteht
Lemyre et al. (2007) haben in einer Langzeitstudie untersucht, wie Motivationsqualität und Übertrainingssymptome zusammenwirken – und Burnout in Leistungssportler*innen vorhersagen können.
🔍 141 norwegische Wintersportler*innen📆 Start der Saison: Erfassung der Motivation📆 Ende der Saison: Übertrainingssymptome + Burnout-Messung
📊 Ergebnis:
Wenig selbstbestimmte Motivation → mehr Burnout am Saisonende
Mehr Übertrainingssymptome → ebenfalls mehr Burnout-Anzeichen
🔗 Beide Faktoren wirken unabhängig voneinander auf Burnout-Risiko
❌ Kein schützender Motivationseffekt bei Übertraining: Motivation & Belastung wirken additiv
🔥 Was ist Burnout im Sport überhaupt?
Laut Raedeke & Smith (2001) besteht Burnout aus drei Dimensionen:
Emotionale und körperliche Erschöpfung
Reduziertes Erfolgserleben
De-Wertschätzung der Sportausübung
💬 Oder in anderen Worten: "Ich bin müde. Ich kann nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr."
🧩 Der Zusammenhang: Physiologie trifft Psychologie
Die große Stärke dieses Blogposts liegt darin, beide Studien zu verknüpfen:
Physische Ebene (Halson & Jeukendrup) | Psychologische Ebene (Lemyre et al.) |
Intensive Belastung → Überreaching | Starke Belastung + wenig Motivation → Burnout |
↓ Glykogen, ↓ VO₂max, ↑ Infekte | ↑ Erschöpfung, ↓ Selbstwert, Zynismus |
Unzureichende Erholung → OTS | Amotiviertes Verhalten → Sportdevaluation |

🎯 Was bedeutet das für die Praxis?
🏋️ Für Leistungssportler*innen
Periodisiere Belastung UND Motivation → Plane nicht nur physische Erholung, sondern auch „mentale Entlastung“
Beziehe Stimmungsskalen & Motivationseinschätzung in dein Monitoring ein
Frühwarnzeichen ernst nehmen: Stimmungseinbruch = nicht einfach „schlechter Tag“
🧘 Für ambitionierte Hobbysportler*innen
Selbstgewähltes Training wirkt protektiv – z. B. freie Wahl der Disziplin oder Trainingsform
Training nach Plan? Nur mit regelmäßiger Reflexion: „Warum trainiere ich? Macht es mir noch Spaß?“
Übertrainingssymptome auch in Amateursport relevant: „zuviel + zu wenig Schlaf + Frust = Risiko“
👩⚕️ Für Gesundheitscoaching & Prävention
Motivation als Schlüssel zum langfristigen Dranbleiben: Autonomie, Sinn, Selbstwirksamkeit fördern
Burnoutprävention ≠ nur Pausieren, sondern: nachhaltige Bewegungsziele setzen
Monitoring: Schlaf, Stimmung, Appetit, Trainingsfreude
🧾 Fazit: Training ist mehr als Physik – es ist Psychophysiologie
Übertraining existiert – aber es ist komplex. Burnout existiert – aber nicht nur bei Manager*innen.
✅ Physiologische Marker allein reichen nicht
✅ Selbstbestimmte Motivation schützt – aber nur bedingt
✅ Erholung muss ganzheitlich gedacht werden: Körper, Kopf, Kontext
📚 Quellen
Halson, S. L., & Jeukendrup, A. E. (2004). Does overtraining exist? An analysis of overreaching and overtraining research. Sports Medicine, 34(14), 967–981.
Lemyre, P.-N., Roberts, G. C., & Stray-Gundersen, J. (2007). Motivation, overtraining, and burnout: Can self-determined motivation predict overtraining and burnout in elite athletes? European Journal of Sport Science, 7(2), 115–126. https://doi.org/10.1080/17461390701302607
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